Am Dienstag (21.Oktober 2014) fand der ganztägige „News Impact Summit Vienna“ statt – der erste seiner Art. Organisiert wurde er von European Journalism Center und gesponsert von Google, (lokale) Partner waren derStandard.at, FJUM, Hacks/Hackers Vienna und das International Press Institute. Interessant für mich machte dieses Treffen vor allem der Untertitel „Data and Social Media: The New Road to Digital Investigation“. In der Hoffnung auf viel Datenjournalismus begab ich mich also ins Le Méridien in Wien.
Gleich vorweg muss positiv angemerkt werden, dass die Teilnahme an der Veranstaltung kostenfrei war. Erkauft wurde dieser Vorteil naturgemäß durch Sponsoring. Und wenn der Sponsor Google heißt, dann stößt dies nicht unbedingt auf uneingeschränkte Sympathie. Vor allem nicht, wenn es sich um ein Medienevent handelt, und Medien eigentlich das Banner der Informationsfreiheit vor sich tragen wollen/sollen.
Hier also meine subjektive Sicht auf die Veranstaltung.
Eröffnung und Podiumsdiskussionen
Keynote(s) gab es keine. Nach einer kurzen offiziellen Eröffnung folgte schon die erste Podiumsdiskussion. Bei der ersten Diskussionsrunde saßen Bella Hurrell von der BBC (News Graphics), Vanessa Schneider von Google und David Schneider von Correct!v am Podium. Diskussion entwickelte sich hier leider keine wirkliche. Es waren eher alleinstehende Statements der Rednerinnen, mit welchen sie die Moderationsfragen beantworteten.
Auffällig dabei waren die wenigen Meldungen von Googles Seite. Nach einem Verweis auf die Google Mediatools und dem Hinweis, dass sie großes Interesse an der Arbeit von Journalistinnen haben und diesen mit ihren Tools helfen wollen, war im Großen und Ganzen Schluss. Etwas enttäuschend (aus der Perspektive eines Daten- und Visualisierungsinteressierten) waren dann die Standpunkte die Bella Hurrells vertrat. Mir schien, dass Datenjournalismus zwar als „wichtig“ eingestuft wird, aber nicht aus Überzeugung. Data-Art, also das grafische Behübschen von Daten und Grafiken, und Social Media schienen wichtiger. Datenjournalismus, so Beall Hurrells, kann auch aus dem Publizieren einer oder zweier Zahlen bestehen. Ein sehr schönes Beispiel dafür lieferte sie auch.
Trotzdem finde ich, dass das nicht unbedingt in die Kategorie „Datenjournalismus“ fällt.
Sehr gut hingegen gefielen mir die Meldungen und Ansichten von David Schneider. Darunter etwa der große Vorteil von Datenjournalismus, dass nicht bloß die Ergebnisse bzw. Interpretationen publiziert werden können – die die Konsumentin unmündig hinzunehmen hat –, sondern auch die dazugehörigen Belege und Daten hinterlegt werden können. Oder seine Antwort auf die Frage ob Datenjournalismus nicht zu teuer ist, für das was er leistet. Hier fand er, dass es darum geht, Stellen zu identifizieren, an denen Druck ausgeübt werden kann. Correctiv arbeitet beispielsweise an einer Geschichte über multiresistente Keime in Deutschlands Krankenhäusern. Verglichen mit Ebola (weltweit) sind die Todeszahlen durch diese Keime – alleine in Deutschland – gewaltig. Und wenn Bürger wissen welche Krankenhäuser besonders gefährdet sind und wie hoch die Risiken sind, dann kann angenommen werden, dass hier ein Druck auf die Verantwortlichen entsteht.
Interessant auch seine Interpretation von Datenjournalismus als „get stuff that nobody can see and make it visible“, also das Sichtbarmachen von an und für sich unsichtbarer Information.
Journalismus und die Kohle
Auch wenn es nichts mit Daten per se zu tun hatte, war das Thema von Bezahlmodellen im Journalismus doch ein interessantes. Bei der Podiumsdiskussion mit Rainer Schüller von derStandard.at, Georg Eckelsberger von www.dossier.at und Florian Stambula von der NZZ Österreich war es Nebenschauplatz. Hier fiel vor allem die Attacke von Florian Stambulla gegen derStandard.at auf, welchen er als nicht innovativ ansieht. Im Gegensatz zur NZZ Österreich, welche es allerdings – bis auf eine Handvoll Mitarbeiter und ein paar Millionen Euro aus der Schweiz – noch nicht gibt. Und wie es Florian Stambulla selbst gesagt hat: Innovation sind nicht Ideen die herumschwirren, sondern das, was tatsächlich auf die Beine gestellt wird. Ob und wie erfolgreich dieses Experiment verlaufen wird, muss sich also erst zeigen.
Die NZZ Österreich will in Zukunft jedenfalls auf eine Paywall setzten. Ein anderes sehr interessantes journalistisches – aber auch finanzielles – Konzept kam von Jacopo Ottaviani. Der Stellte eine beachtliche Anzahl an Datengeschichten vor, welche multilateral und –lingual realisiert wurden (eine Sammlung findet sich hier). Die Idee dabei ist so simpel wie einleuchtend: Medien/Journalisten aus mehreren Ländern kooperieren und können so (a) breitere Datenrecherche betreiben und (b) die selbe Story in ihren Ländern publizieren ohne zu konkurrieren.
Mein Highlight
Aus meiner Perspektive war das Highlights des Tages – neben den Ausführungen von Jacopo Ottaviani und David Schneider – der Crash Course zu Datenvisualisierung. Da immer zwei Sessions parallel liefen, kann ich natürlich nur über die von mir besuchten reden.
Den Datenvisualisierungs-Vortrag hätte eigentlich Markus Hametner (aka „fin“) halten sollen. Statt ihm sprang sein derStandard-Kollege Michael Bauer ein.
In der einen Stunde wurde ein sehr schönen Überblick über Grundzüge der Datenvisualisierung gegeben. Ausgehend von Fragen die man sich vor der Visualisierung stellen sollte ging es über Grundgrafiken (Balken und Linien) zu komplexeren (Scatterplot, Slopegraph). Erwähnt wurde außerdem die Problematik bei der Farbgebung (eine häufig vorkommende Fehlerquelle, wie letztens erwähnt) und bei der Verwendung von flächigen Grafiken (Bubbles). Und natürlich bekamen auch Tortendiagramme (Pie Charts, siehe auch meinen Artikel zu Excel) ihr Fett ab. Aber auch mögliche Fettnäpfchen bei Kartengrafiken wurden angesprochen.
Abgeschlossen wurde der Vortrag mit einem Verweis auf Tuftes Data-Ink-Ratio (auch im Artikel über Excel), einigen Good/Bad Case–Grafiken, sowie Referenzen zu Tools und Literatur.
Die Folien zum Vortrag hat Michael Bauer dankenswerterweise auf seinem Github-Account zur Verfügung bereitgestellt.
Organisation & Drumherum
Wie eingangs erwähnt, war die Veranstaltungsteilnahme kostenfrei – was ich super finde. Das Méridien ist sicher nicht das schlechteste Hotel in Wien, was sich im feinen Catering wiederspiegelte. Leider fand die Konferenz aber, wie es so oft der Fall ist, in den Konferenzräumen im Keller statt. Also kein Tageslicht. Die Lüftung in den Vortragsräumen war zwar angemessen, in einem Raum allerdings mit einem nervenaufreibenden Brummen/Summen verbunden. Traurig dann der vollmundig mit „Cocktail and Reception“ angekündigte Abschluss. Pro Teilnehmerin gab es einen Gutschein für wahlweise ein alkoholfreies Getränk, ein Glas Wein oder ein Seidl Bier. Krass im Gegensatz zum Catering unter Tage.
Hier hätte man eventuell andere Prioritäten setzten können – aber einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul. Und vom repräsentativen Charakter hat die Veranstaltung ja gepasst.
Organisatorisch gab es einige spontane Programmänderungen. Dass die dritte Podiumsdiskussion um Rainer Schüller erweitert wurde, war sicher keine schlechte. Dass Michael Bauer für Markus Hametner einsprang störte nicht. Schade hingegen war, dass der Crash Course „Security für Journalists“ gegen „Project Management for Collaborative Data Journalism“ getauscht wurde. Dies vor allem, da (a) der Vortragende der gleiche gewesen wäre (Jacopo Ottavio) und (b) der Projektmanagement-Vortrag im Wesentlichen auf das Vorstellen eines Online-Projektmanagement-Tools hinaus lief.
Klarerweise könnte – wie fast immer beim ersten Versuch – einiges verbessert werden. Für mich wäre das: mehr Fokus auf Datenjournalismus; weniger fancy Location, dafür mehr Netzwerkaktivitäten; Hands-on Workshops. Aber insgesamt war der News Impact Summit, als erster seiner Art, eine interessante Veranstaltung.
ps: Dank an @SpringerMa fürs Titelfoto!